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Eine spannende Reportage über den Frankenmarkt Backyard Ultra

#mirsansvs

Eine spannende Reportage über den Frankenmarkt Backyard Ultra

   …   Text und Fotos von Rainer Leyendecker für das Bavarian Backyard Trio   …   

Am 24. Juni 2023 startete der ABU (Austria Backyard Ultra) von Frankenmarkt (in Oberösterreich nur 1 Marathon im Nordosten von Salzburg gelegen) in seine 3. Runde. Die ABU Organisatoren Norbert Lüftenegger und Andreas Six, selbst begeisterte Ultraläufer, stellten mit ihrem engagierten Helferteam wieder ein grandioses Laufevent für jung bis alt auf die Beine. Die Backyard Strecken sind weltweit 6,706 Kilometer lang, schwanken aber stark in ihren Ansprüchen wie Untergrund (von breiten Wegen bis zu schmalen Trails) und Höhenmeter (flach über hügelig bis bergig). Von letzteren hat dieser ABU jede Menge zu bieten – laut Ausschreibung genau 111 hm ! Jede Stunde ist ein Neustart und das Rennen läuft mit „open end“ so lange, bis nur noch eine Person auf der Strecke ist und ihre letzte Runde absolviert hat. Also „last one standing“ – und das kann dauern … Backyards finden nach den offiziellen Backyard Ultra Regularien des US-amerikanischen Originals statt.

Wie war das Geschehen vor Ort am Vorabend ?

Ich kam aus Holzkirchen die gut 160 km über die berühmte, aus Eisen im Jahr 1902/3 konstruierte Länderbrücke über die Salzach zwischen Laufen auf deutscher und Oberndorf auf österreichischer Seite nach Frankenmarkt. Im Ortsteil Auleiten wiesen uns einige Helfer am Wegweiser zum Event die Parkplätze zu. Auf Wunsch wurde unsere teils umfangreiche Ausrüstung (z.B. inklusive Zelte, Tische und Stühle) mit einem Minibus oder Quad-Anhänger die paar hundert gesperrten Meter bis zur Läuferwiese transferiert. Als ich am Freitagnachmittag bei bedecktem Himmel um 17 Uhr ankam, hatten im Start-Ziel-Bereich um den Bauhof im Ortsteil Auleiten viele fleißige Hände bereits die letzten Aufbauten inklusive 4 großer Bögen und des Metallgerüstes über der Messmatte fertiggestellt. Oben am Gerüst war mit großen Lettern zu lesen: „HIGHWAY TO HELL“. Aber so schlimm wird es morgen doch nicht werden ?

   

Historische Länderbrücke über die Salzach           Fahrt durch Laufen zu, Lauf              Wegweiser mit Plakat zum Laufevent

Bis 20 Uhr war die gemähte Wiese schon gut gefüllt mit großen Zeltständen der Läufer- und Betreuerteams sowie kleinen Schlafzelten und hatten sich die anwesenden Aktiven bereits ihr Starterpaket mit vielen Sponsoren-Geschenkerl sowie ihrer Fuß-Chip-Bänder abgeholt. An den 3 Kiosken lockten warme Speisen und kühle Getränke. Als Autor lief ich um 19 Uhr die markierte Strecke mal gemütlich ab und passierte nach 50 Minuten wieder die Ziellinie. Danach führte ich noch lange im beleuchteten Areal nette Gespräche mit dem Chef Norbert und einigen Läufern. Als vor Mitternacht der Dauerregen einsetzte, lag ich schon(wie einige andere auch) zum Schlafen im Auto,

   

Wiesencamp der Läufer- und Betreuerschar          Belohnung nach Erkundungsrunde          Startnummer mit Chip-Fußband

Wie steigert sich die Spannung am Morgen ?

Ab 7 Uhr bei anhaltendem Regen erwacht das Camp und kommen viele weitere Läufer an. Insgesamt waren 242 Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren inklusive 21 Kinder (Geburtsjahr 2010-14) und 8 Bambini (2015-19), welche erst um 13:30 Uhr ihre 1,4 km kleinen Runden mit Starts alle 20 Minuten drei- bzw. sechsmal drehen sollten. Um die Mindestweite für einen Ultra = 45 km zu erreichen, bedarf es bei Backyards 7 Runden. Der unterhaltsame Moderator lädt um 8:45 Uhr zum Briefing ein, denn ein Teil der Aktiven hat Backyard Premiere und wird nochmals in die Regeln eingewiesen. Sodann machen sich alle bereit zum 1. Start genau um 9 Uhr, viele noch mit Regenschutz bei abnehmender Niederschlagsneigung und vielen dunklen Wolken. 3 Minuten, dann 2 und zuletzt 1 Minute vor dem Start ertönt die Pfeife. Dann ticken die letzten Sekunden an der großen LED Anzeige unter dem Banner herunter und traben wir Läufer*innen über die Startlinie. Dieses Prozedere wiederholt sich nun stündlich zum Neustart bis irgendwann am Sonntag.

   

Das Bavarian Backyard Trio vorm 1. Start          Laufweg hinab zum Wendepunkt            Strecke wieder zurück in den Wald

Scheinen die ersten 7 Stunden am leichtesten zu sein ?

Auf den ersten 500 m ist das Feld mit 198 Startenden noch dicht gedrängt, doch am ersten gut 500 m langen Anstieg im Mischwald aus Laub- und Nadelbäumen zieht es sich schon etwas auseinander und gehen viele vom Laufen ins Gehen über. Oben am Berg biegen wir links zu einer Schleife ab, erfreuen uns am absteigenden Forstweg und haben nach gut 2 km den gleichen Anstieg erneut zu meistern. Oben am Berg dürfen wir diesmal nach rechts abbiegen und folgen wir dem Forstweg hinab, bis wir am Waldrand auf einen von Wiesen umgebenen Asphaltweg treffen. Diesem folgen wir leicht abfallend bis zum Wendepunkt am Gewerbegebiet am Ortsrand von Frankenmarkt. Etwa 4,7 km liegen hinter uns, aber noch der lange Anstieg hinauf in den Wald und ein hügeliger Verbindungsweg zurück ins Ziel vor uns.

    

Steiler Anstieg nach rund 1 km                       Pro Runde zwei Mal zu begehen                  Orgachef Norbert mit Survivor Medaillen

Die schnellsten Läufer sind die ersten Runden bereits nach 35 bis 40 Minuten im Ziel und genießen lange Pausen, das Mittelfeld braucht derweil 40 bis 50 Minuten, was noch ausreichend Zeit zum Erholen gibt, und mit jeder Runde mehr Läufer*innen benötigen bereits über 50 bis knapp unter 60 Minuten. Auf der gegenläufigen Strecke zwischen Waldrand und Gewerbegebiet können wir schauen, wie schnell bis langsam die anderen unterwegs sind, ihre Freude oder ihr Leiden im Gesicht sehen oder erahnen, aber uns auch gegenseitig grüßen und motivieren. So ne Wendepunktstrecke hat schon was Belebendes !

  

Sandra, Günther, Daniela beim Pausieren         Frühe DNF Finisher beim Aufbruch        Daniela mit Günther u Rainer im BLZ T-Shirt

In der 7. Runde schafft es die letzte Läuferin Verena gerade noch 26 Sekunden vor dem Neustart ins Ziel und jubelt mit ihrer Familie und Freunden über ihren tollen Erfolg beim bisher längsten Lauf ihres Lebens. Ähnliche Szenen gab es auch gegen Ende der vorigen Runden und werden später noch folgen. Insgesamt scheiden bereits bis nach 6 Runden 42 Personen aus und beenden nach Erreichen der Ultradistanz von 7 Runden weitere 24 Personen ihren Lauf mit ihrem DNF (Did not finish). Letztere dürfen sich ihre originelle “Survivor Medaille“ aus einer Baumscheibe mit Jahresringen als Erinnerung mit dem Aufkleber „7 Yards“ abholen. Diese Medaille verdienen sich auch die drei besten Jugendlichen (geb. 2007-08) für ihre sehr respektablen 7 bis 10 Runden.

    

Lange Schlange nach den Rundenstarts          Läuferschar zieht sich auseinander        Verena als letzte Finisherin nach 7 Runden

Was passiert die nächsten 5 Stunden bis Sonnenuntergang ?

Somit starten noch 132 Aktive in die 8. Runde. Gegen Mittag hatte der leichte Regen ganz aufgehört, konnten wir Regenschutz und Langarmshirt ablegen, aber herrschte noch hohe Luftfeuchtigkeit. Die Wolken lichten sich, die Sonne kommt zum Vorschein und erheitert bei uns auch die Stimmung. Bei vielen verlängert sich nun die Laufzeit, auch durch längere Gehpausen bergan, und verkürzt sich die Regenerationszeit. Zum Glück ist der Verpflegungsstand bestens bestückt und bietet läufergerechte Snacks sowie diverse Drinks, die wir in unsere Becher oder Trinkflaschen füllen. Nach der 8. Runde schwindet das Feld um 20 Personen, nach der 9. Runde um 10 und nach der 10. Runde um 22.

Bei den verschiedenen von Norbert und Andreas angebotenen ABU in Oberösterreich erfolgt auch eine Teamwertung, wenn sich je drei Personen mit gleichem Teamnamen anmelden. Das taten auch ich als Autor mit meinem Laufkollegen Günther Weitzer vom SV Schwindegg als „Bavarian Backyard Trio“ zusammen mit einer Lauffreundin aus Landshut, Daniela Nemela. Sie packte hier im Vorjahr 10 Runden, doch diesmal entscheidet sie etwas enttäuscht, aber folgerichtig, sich nach 9 Runden und nur noch 3 Minuten Pause abzumelden. Immerhin gewinnt sie ihre Altersklasse W50 mit 60,35 km. Ihre aus Landshut mitgereiste Freundin Sandra Rüter, die mit an unserem Teamtisch willkommen ist, scheint einen besseren Tag erwischt zu haben und läuft weiter.

    

Grüßen auf der gegenläufigen Strecke            Günther mit Sandra nach der Wende             Rainer im letzten Abendlicht vor 21 Uhr

Günther und ich sind eigentlich mit 10 Runden = gut 67 Kilometer mit unserem Minimalziel zufrieden, haben aber noch 7 bis 9 Minuten Puffer zum Neustart. Also geht es noch in die 11. Runde, nach der 16 aussteigen, und in die letzte geplante 12. Runde, welche wir nach 55 bzw. 56 Minuten hinter uns bringen (80,47 km mit insgesamt 1.332 Höhenmetern). Günther ist bis auf seine letzte Runde immer etwas vor mir im Ziel und war so mit einer reinen Laufzeit von 9:47 Std. rund 14 Minuten weniger als ich auf der Strecke unterwegs. Für 9 weitere Personen ist nun kurz nach Sonnenuntergang auch Schluss. Günther wird Zweiter in der AK M60 und ich als ältester Oldie gar Erster in der AK M65. Für uns reicht das bei unserem 1. Backyard heuer, denn wir wollen uns bei den nächsten Starts noch steigern können.

In unserem Team mit Daniela, das in Summe der Lebensjahre das bei weitem älteste ist, landen wir schließlich auf dem 13. Rang bei 31 Teams. Sandra ist auch nach 12 Runden mit Zeiten zwischen 50 und 53 Minuten noch nicht richtig müde und geht motiviert in die 13. Runde. Sie hofft, dass zumindest eine der anderen verbliebenen drei Damen aufhören würde, so hat es Lisa angekündigt. Doch diese erkannte ihre Chance, 2 weitere Runden zu meistern. Somit beendet Sandra nach 87,17 km ihren bis dato längsten Lauf ihres Lebens sehr erfolgreich: mit reiner Laufzeit von 11:06 Stunden bei ihrem 1. Backyard als 4. Dame und AK45 Siegerin.

   

Letzte sonnige Blicke in die Berge                      Verpflegungsstand in der Nacht               Gut besuchte Kioske am Lagerfeuer

Wie läuft es in der Nacht für die verbleibenden Ultraläufer*innen ?

Zum 13. Neustart um 21 Uhr herrscht schon Stirnlampenpflicht und ziehen sich viele der noch 53 ins Rennen startenden um und legen ein Langarmshirt drüber. 7 Aktive hören nach 13 Runden auf und weitere 19 Aktive nach genau 15 Runden, denn dies bedeutet 100 km. Ab dieser Distanz erhält man als Auszeichnung eine Survivor Baumscheibe mit „15 Yards“. Neben Lisa (hier zum 3. Mal dabei und mit neuer Bestleistung) beendet auch Angela ihr Rennen bei ihrem ersten offiziellen Ultralauf. Letzteres gilt auch für die Siegerin Sophie Granegger nach ihrer 16. Runde in 51 Minuten (stolze 1.776 Höhenmeter summiert). Da liege ich schon wieder im Schlafsack. Nur über Nacht von 23 bis 6 Uhr ist weder die informative Moderation besetzt noch dröhnt moderne Rock-Pop-Musik aus den Musikboxen, aber die Versorgungsstation bleibt besetzt.

       

Zweite Dame Angela im Ziel                        Spätere Siegerin Sophie nach 15 Runden          Auch dritte Dame Lisa glücklich

Ab 5 Uhr morgens setzt die Dämmerung nach einer wolkenlosen Nacht mit nur rund 12 Grad ein. Bis zur 21. Runde holen sich weitere ihre DNF Medaille ab, während ich um 6 Uhr aufstehe und zum Start spaziere. Diesmal ist nach 21 Runden auch Schluss für den weltbesten M60 Backyard Läufer, Roldano Marzorati von Arco am Gardasee (geb. Ende 1958), aber letzten Spätherbst war er mit 35 Runden und 234,7 km Zweiter bei einem heimischen Backyard.

          

Weltklasse Oldie Roldano aus Italien                Letzte DNF Finisher nach 15 Stunden         16. Start nach 100 km um Mitternacht

Wie läuft das Finale der ausdauerndsten Ultraläufer am Sonntag ?

Morgens zur 24. Runde um 8 Uhr sind noch 12 Herren im Rennen. Nach dieser Runde reicht es 4 weiteren Läufern. Es ist wieder ein guter Zeitpunkt für ein DNF, denn 24 Runden bedeuten, genau 100 Meilen = 160,9 km geschafft zu haben. Und ab dieser Meisterleistung bekommt man eine Survivor Medaille mit „24 Yards“. In den folgenden Runden wird es richtig warm und brechen weitere Läufer ab, sodass in Runde 30 nur noch drei im Rennen sind. Stefan streicht danach die Segel und nach Runde 32 auch Mitchell. Somit läuft als verdienter Sieger der Lette Ritvars Kalnins allein seine 33. Runde in flotten 41 Minuten, was 221,3 km und so nebenbei 3.663 Höhenmeter ergibt. Er hätte sicher noch viele Runden geschafft, aber das ist ohne Mitläufer nicht mehr erlaubt. Im April siegte er in seiner Heimat mit 46 Runden und 6 Wochen später erreichte er bei einer Backyard Champion Meisterschaft gar 64 Runden als Vierter. Somit endet das „open end“ Event vor 18 Uhr abends und freuen sich alle auf ihren Feierabend. Bei dieser 3. Auflage überliefen 37 Damen und 119 Herren die Ultradistanz von 45 km, während es beim 2. Event nur 21 Damen und 82 Herren waren und zum Auftakt in 2021 genau 24 Damen und 125 Herren einen Ultra schafften.

   

Das Zeltlager früh morgens                               Viele warten gespannt auf die Ankommenden               Start in die 24. Runde um 8 Uhr

   

Der spätere Sieger Ritvars aus Lettland                   Noch 8 Herren gehen in die 25. Runde           Rainer im Outfit zum nächsten Backyard

Welche weiteren Backyards erwarten uns diesen Sommer bis Herbst ?

Habt ihr Lust und Energie, auch mal einen Backyard in Angriff zu nehmen und diese Herausforderung zu meistern – oder habt ihr schon mal mitgemacht ? Am 12. August ist die Premiere des ABU in Nußdorf am Haunsberg mit 80 Höhenmetern (nördlich von Salzburg). Am 8. September startet der 3. Fränkische Backyard in Lauf an der Pegnitz (90 hm). Und am 14. Oktober folgt der 3. ABU in Seekirchen am Wallersee (nur 43 hm); hier laufen diesmal nebenbei auch Bewerbe über 6 , 12 und 24 Stunden. Einfach mal dieses erst in 2011 in den USA erfundene und sich inzwischen stark verbreitende Backyard Laufformat ausprobiere ! Denn hier geht es nicht um Schnelligkeit, sondern um Ausdauer. Man kann nach jeder Runde aufhören und muss sich nicht bis zu einem bestimmten Kilometerziel plagen. Also eigentlich ist es ein Genusslaufen weit weg vom „HIGHWAY TO HELL“.