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Überraschungen beim 15. Karwendelmarsch – Die Legende lebt !

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Überraschungen beim 15. Karwendelmarsch – Die Legende lebt !

          Text und Fotos von Rainer Leyendecker

Von Scharnitz über die Eng nach Pertisau waren am 31. August 2024 wie jedes Jahr 52 km mit drei hohen und anspruchsvollen Pässen mit 2.280 Höhenmetern zu meistern. Melden konnten die Bergbegeisterten für die 52 km als Ultralauf mit Zehner AK Wertungen bis AK60 plus X und – jeweils nur mit Zieleinlauf-Wertung der Damen und Herren – für den 52 km Marsch und sowie für den verkürzten Marsch „nur“ über 35 km mit 1.500 Höhenmetern bis in die Eng. Für die Läufer war natürlich auch Marschieren oder Wandern erlaubt und die Marschierer und Wanderer durften auch laufen, wenn sie konnten und wollten. Die Veranstaltung ist seit vielen Jahren so beliebt, dass die 2.500 Plätze heuer am 15. Januar nach der Öffnung des Anmeldeportals bereits nach 2:23 Stunden ausgebucht waren. Am Ende des Tages gab es 2.312 Finisher. Und ich war zum Glück dabei.

Die Tage vor dem Event

Bereits Mitte August unternahm Marlyn mit mir einige zünftige Bergtouren mit bis zu 1.200 hm auf teils anspruchsvollen Steigen „nur für Geübte“ mit Hinweistafeln „Alpine Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich“. Nach einigen Regentagen war ich dann solo am Dienstag und Mittwoch vor dem Laufbewerb auf einigen Streckenabschnitten des Marsches zwischen Karwendelhaus, Eng und Gramai unterwegs, um wieder ein Gefühl für die Route und deren Handicaps und Knackpunkte zu bekommen und ohne Wettkampf-Zeitdruck auch die grandiose Landschaft bei Kaiserwetter erleben zu können. 

     

Startnummernausgabe                                        Starterareal in Scharnitz                                  Regionale Werbung im Startbereich

Am Freitagnachmittag fuhr ich los nach Scharnitz zum Eventgelände (967 m NN) zwischen Freiwilliger Feuerwehr und Infozentrum Scharnitz. Zuerst holte ich meine Startnummer ab (dies war von 11 bis 19 Uhr möglich; man konnte auch Lauf-Accessoires shoppen). Dann suchte ich einen strategisch guten Parkplatz (gebührenpflichtig) für die Nacht im Auto und fand ihn ausgangs des Hinterau-Tales an einem rauschenden Bach. Nun spazierte ich vor 19 Uhr gut 1 km ins Ortszentrum zur Nudelparty im Gemeindesaal. Hier boten die Mitglieder des Frauenchors Scarantia – bestens organisiert und serviert – gegen Gebühr Kuchen und Penne-Nudeln sowie Getränke bis 20 Uhr an, was viele Aktive samt Begleiter und Familien auch wahrnahmen. 

     

„Ohne Worte“                                             Nah am Ursprung der Isar                                        Light- und Lasershow abends

Auf dem Rückweg zum Auto fiel mir im Zentrum auf der Brücke über den kleinen Fluss eine Lichterkette auf mit den Buchstaben „ISAR“. Und so war klar, dass ich neben dem nur rund 2,5 Wanderstunden entferntem Ursprung der Isar im Hinterautal übernachten würde. Mein Schlafplatz lag etwa 500 m vom Start in Laufrichtung, bevor es in den Anstieg ging. So legte ich mir mein Depotgepäck zurecht, meinen Hüftgürtel mit zwei 0,33 Liter Trinkflaschen mit Isodrink-Vitamin-Traubenzucker-Mix sowie meinen kleinen Rucksack mit Notfallsachen, einer Reserveflasche mit besagtem Mix zum Nachfüllen unterwegs und vor allem meinen Faltstöcken.

Der Tag der Wahrheit – der frühe Morgen

Um 5 Uhr piepste mein Handy, trank ich Kaffee aus der Thermoskanne und aß ich eine Banane. Nach dem Anlegen der Laufkleidung war es schon Zeit, zum Startareal zu gehen und den Depotrucksack für das Ziel abzugeben. Bis hierher verlief alles planmäßig für mich. Der Moderator machte schon mächtig Stimmung und die riesige Schar an Aktiven drängelte sich im Areal und strebte in die beiden Startzugänge für Läufer und Marschierer. Leider gab es an den Toilettenwagen sehr lange Schlangen, die sich sogar bis nach dem Startschuss genau um 6 Uhr nicht ganz auflösten. Nun konnte ich nicht länger warten und reihte mich als Läufer mit anderen ans Ende der dichten Menschenmenge ein und tribbelte nach 2,5 Minuten über die Chip-Messmatte. Nun wurde mir klar, dass die Läufer (etwa 1/3) schon längst vorne weg waren und ich am Ende der Masse an gemütlich losgehenden Wanderern (rund 2/3 der Teilnehmenden) gefangen war. Was für eine weitere Überraschung ! 

     

Startvorbereitungen                                                Rainer im Mondschein                        Leider am Ende des langen Starterfeldes

Endlich am Auto angekommen, nahm ich meinen Rucksack und Hüftgürtel auf und wanderte die erste lange Steigung hoch, kaum eine Chance habend, im Gedränge der Marschierer mit den vielen Stöcken mal rechts oder links überholen zu können. So bekam der Wettkampfgedanke schon einen herben Dämpfer. Erst nach rund 35 Minuten begannen sich die Marschierer auseinander zu ziehen und konnte ich mich ab und zu an einzelnen vorbeischlängeln. Erst als eine flachere Passage kam, liefen mehr Aktive los und kam auch ich dauerhaft ins Laufen. Dennoch vergingen 80 Minuten, bis ich am VP1 nach 9,6 km war. Vor den dort aufgestellten beiden Dixie-WCs herrschte Andrang und so lief ich unverrichteter Dinge weiter. 

     

Laufpassagen in Richtung Karwendelhaus                 Schweißtreibend …                    Gehpassagen vor den Serpentinen

Nach etwa 2 Stunden begannen die Serpentinen auf der rund 18 km langen Forststraße durch das Karwendeltal hinauf bis kurz unterhalb vom Karwendelhaus (1.765 m). In meinem Umfeld lief kaum noch jemand und ich durfte erleben, dass ich einer der langsamsten Geher war und Scharen zügig an mir vorbeizogen, oft mit Stockeinsatz. Erst nach 3 Stunden erreichte ich die 2. Labestation auf 1.770 m, trank ich stilles Wasser, Wasser mit etwas Holundersirup und Kräutertee (diese drei waren das Standardangebot an allen VPs) und füllte meine Flaschen nach. Bald ging es über den 1.803 m hohen Hochalmsattel, wo ich meine Stöcke auspackte, und konnte ich auf dem teils durch die Unwetter beschädigtem Forst- und MTB-Weg hinab in das Untere Filztal endlich mal wieder laufen. Unterwegs musste ich dann das Weite suchen und zwischen dichten Latschen das nachholen, was ich bereits vor dem Start vorhatte. Auf rund 1.400 m Höhe kamen wir am Kleinen Ahornboden mit dem Hermann-von-Barth Denkmal an und ging es mir besser. Erst hier bemerkte ich beim Abnehmen des Rucksackes, dass meine Startnummer am Band nur noch mit einer Sicherheitsnadel hing und die andren weg waren. Wieder eine Überraschung. Kaum auszudenken, wenn ich sie zum Beispiel beim Austreten verloren hätte oder niemand auf dem Weg hinter mir mich auf die abgefallene Startnummer hingewiesen hätte. Ich hätte trotz Finishs ein DNF produziert. So rollte ich sie in meinen Hüftgurt ein und holte sie nur raus, wenn eine Mess-Station in Sicht war und natürlich zum Zieleinlauf. 

     

Letzter KM vorm Karwendelhaus                       Große Labestation vorm 1. Pass                  Hinauf zum Hochalmpass

Handicaps vom Kleinen zum Großen Ahornboden

Nun führte der Weg – meist gehend – aus dem Tal durch den Sauisswald bergan, bis wir vor der Ladizalm die steile Forststraße zur Falkenhütte (1.848 m) erreichten. Bald wies eine Abkürzung über einen steilen Steig durch Wiesen hinauf zur beliebten und neu renovierten Hütte mit dem 4. VP und der Hinweistafel, dass hier am 2. Pass 30 km geschafft seien. Sehr anspruchsvoll wegen ausgewaschenen Wegen und großen Fels- und Murenabgängen der letzten Zeit führte der so genannte Weg durch die Laliderer Reisen zuerst runter und dann hoch zum Hohljoch auf 1.794 m. Für die 35 km Marschierer war nur noch der steile, schwere und steinige Abstieg bis zu ihrem Ziel (Zielschluss 17 Uhr) an der Engalm auf 1.227 m zu meistern. Ich kam dort – auch runter meist gehend – nach 6:36 Stunden an. Ohne beherztem Einsatz meiner Stöcke hätten meine Knie und Fersen bei diesen Steigen kaum mitgespielt. 

     

Unten im Kleinen Ahornboden                         Riesige Schotterfelder zum Queren                Steil hinauf zur Ladizalm

     

Noch steilerer Steig zur Hütte                           2. Pass an der Falkenhütte                         Willkommene Rast beim Panorama

     

Abstieg in die Laliderer Steinreisen                    Durch die Felsbrocken und Muren                 Endlich an der Engalm KM 35

Für uns Langstreckler (Zeitlimit für die Eng war 14 Uhr) hieß es wieder Energie tanken für den dritten und allerschwersten Anstieg. Zunächst folgten wir – natürlich nur gehend, wobei ich bei diesem Anstieg auch mal andere überholen durfte – dem Forstweg bis über die Bimsalm hinaus, bevor der steile Steig mit Serpentinen hinauf zum Bims- oder Gramai-Sattel begann. Oben auf 1.903 m Höhe hatte ich den Höhepunkt der Strecke nach 8:05 Stunden gepackt. Über Wiesengelände mit steinigen Rinnen führte der Steig an der Berghütte vom Gramai Hochleger (VP7 – hier nahm ich mir ein mit Schinken und Käse belegtes Brot mit) vorbei und war die Marathondistanz geschafft. Steil, steinig und rutschig verlief der Weg weiter hinab ins obere Falzturntal, bevor wir die Forststraße erreichten. 

     

Steiler Steig hinauf zum 3. Pass                      Bald ist der Bimssattel geschafft                    Nur noch viele Serpentinen

Auslaufen bis zum Achensee

Endlich waren alle technisch herausfordernden Streckenabschnitte vorbei und freute ich mich, wieder in den Laufschritt zu kommen. Leicht abfallend über den Schotterweg erschien bald die Gramai Alm (1.263 m) mit dem VP8. Ab hier wiesen Kilometertafeln von 9 bis 1 auf die verbleibende Distanz hin. Zunächst passierten wir ein langes Areal mit schotterigem Murenmaterial, wodurch eine Raupe eine breite Spur für uns gelegt hatte. Danach folgten wir dem Falzturntal leicht abwärts über Wiesen und zuletzt einem Asphaltweg bis nach Pertisau. Während die meisten Aktiven um mich herum nur noch gingen, lief es bei mir mit unter 7 min/km relativ flott in Richtung Ziel. So überquerte ich im Ortszentrum am Achensee (932 m) auf der Wiese des Eventgeländes „Fischergut“ nach 10:06 Stunden den ersehnten Zielbogen. Dank der Messmatten begrüßte der Moderator alle Ankommenden namentlich – und dies bis zu den letzten Finishern nach 13 Stunden (Zielschluss 20 Uhr). 

     

Rückblick auf Abstieg vom Gramai Hochleger          Endlich laufbare Forstwege               Labestation an der Gramai Alm – noch 9 km

Wegen meinen Überraschungen und den durch die Starkregen erschwerten Bergpassagen blieb ich nicht – trotz der zahlreichen Fotostopps – im Bereich um 9 Stunden, aber immerhin schaffte ich im Schnitt 5,15 km/h und 11:39 min/km und finishte im hinteren Fünftel der Läufer als 39. der M60+x . Kaum zu glauben, dass ich in meinen guten flotten Jahren diesen Karwendelmarsch überwiegend durchlaufen und in 2012 mit 6:18 (2. M55 und 77. insgesamt) und in 2013 mit 6:25 Stunden (5. M55 und 159. insgesamt) beenden konnte, auch wenn das Terrain damals ohne große Unwetterschäden leichter zu bewältigen war.

Dennoch zufrieden und mit meiner kleinen Holzmedaille um den Hals gönnte ich mir erst mal zwei alkoholfreie Finisherbiere, bevor ich im Fischergut meinen Depotrucksack abholte, mich in der Halle frisch machte und umzog. Jetzt gab es im gut gefüllten Biergarten auf der Zielwiese ein richtiges Bier als Belohnung, bevor ich dem Ruf des Moderators folgte und zu dem für 18 Uhr angekündigten Shuttle-Bus über Innsbruck nach Scharnitz spazierte. Das Ticket war bereits bis Juni fix zu buchen. Von der Kirche in Scharnitz bummelte ich 20 Minuten mit schmerzenden Knien und Fersen sowie einer kleinen Blutblase unter den rechten Zehen bis 20 Uhr zum Auto und war ich vor 22 Uhr wohlbehalten daheim in Holzkirchen.

      

Rainer´s Urkunde                                        Rainer im Ziel mit Medaille                               Dabei sein ist alles !

Kleiner Überblick der Ergebnisse und Rekorde

In der Laufkategorie 52 km finishten 785 Teilnehmende (250 Damen und 535 Herren). Bei den Herren stellte erst letztes Jahr Anton Seewald mit 4:04 Stunden einen tollen neuen Streckenrekord seit der Wiederbelebung der Legende in 2009 auf. Und jetzt schaffte es der Brite Thomas Roach (geboren 1980) bei seinem erst fünften Ultralauf, diese Bestmarke mit 3:57,5 Stunden gar zu pulverisieren (im Schnitt unvorstellbare 4:34 min/km). Nach ihm kam Alexander Rainer nach 4:08 und Anton Seewald nach 4:13 Stunden ins Ziel.

Bei den Damen stand die Bestmarke bei 4:51 Stunden – aufgestellt in 2019 von der ehemaligen Top-Biathletin Laura Dahlmeier bei ihrem zweiten und bisher letzten Ultralauf. Die heutige souveräne Siegerin Maike Drieb-Schön aus Deutschland (geboren 1989, bisher kein Ultra und zuletzt einen Marathon im Oktober 2023 in Köln mit 2:51 Stunden gefunden) kam mit 4:52 Stunden nur gut 1 Minute später ins Ziel (im Schnitt 5:37 min/km), gefolgt von Sophia Moosbrugger in 5:12 und Verena Hohenrainer in 5:23 Stunden. Über die 52 km Marschkategorie freuten sich 987 Finisher (416 Frauen und 571 Männer) und beim 35 km Marsch in die Eng waren es 540 Finisher (263 Damen und 277 Herren).

Alle Ergebnisse der drei Bewerbe finden sich hier https://my.raceresult.com/268244/results